Durch den Protest gegen die A49 und dem Aufbau des Protestcamps können wir auf viele Erfahrungen und Materialien zurückgreifen. Diese versuchen wir jetzt mit anderen Besetzungen zu teilen. Sei es durch Skillshares, was man alles beim Aufbau eines Protestcamps beachten sollte, durch das Weitergeben von Ressourcen wie Klettermaterialien oder Werkzeugen oder auch durch das Bereitstellen von digitaler Infrastruktur. In Zukunft wollen wir unseren Fokus noch mehr auf das Thema Vernetzung legen, damit die Klimagerechtigkeitsbewegung weiterhin ihr starkes Momentum ausbaut.

Der Danni scheint für manche an Fahrt verloren zu haben – oder an Relevanz? Oder was ist hier jetzt los?

In der Vergangenheit wurde ich an der Mahnwache gefragt: Warum seid ihr denn noch da?

Von dem älteren Herrn in Radlermontur mit seinem schimmernden E-Bike wurde ich nur als abgesonderte Gruppe, nicht als Person, angesprochen – über die Rechtfertigung unserer Zelte und unserer Absichten. Und da dachte ich, geht natürlich direkt die politische Diskussion los. Ich hab erstmal lächelnd gesagt, dass ich glaube, dass in der Zukunft des Verkehrs und Klimas ja noch längst nichts endgültig entschieden sei. Darauf als Antwort: „Aber mir mein Auto wegnehmen wollt ihr!“

Also war das doch ein persönliches Thema jetzt und kein politisches? Die Grenzen scheinen zu verschwimmen. Dann hat er weitergemacht, mit einem Lächeln unter seiner gespiegelten Radlersonnenbrille: „Ihr habt verloren! Seht das doch ein: Die Autobahn wird gebaut!“

Ich hab gefragt, warum er denn dafür sei? Und er hat gemeint, er sei ja gegen den A 49-Ausbau. Aber da könne er ja nichts mehr machen – er sei ja schon so gut wie tot. Dafür sah er aber noch ziemlich fit aus, hab ich ihm auch gesagt. Und dass er gerne mal Donnerstag 18 Uhr in unser erweitertes, offenes Plenum kommen kann.

Wofür? Hat er gefragt.

Um gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir vor Ort und mit anderen Orten praktisch an der Verkehrswende arbeiten wollen. Und das geht immer noch viel um den Danni, Herri, Mauli und die A 49 selbst – mit dem Danni als deutschland- und auch europaweit bekanntes Zentrum des Widerstands. Und da wurde das Zentrum der Organisation halt vor allem das Gasthaus Jakob – jetzt das Gäst_innenhaus. Erst als eine Art Regenerationszentrum für Aktivistis.

Und jetzt, da die Themen Verkehrswende, Klimaziele und Nachhaltigkeit wieder politische Schlagzeilen schreiben und da gefühlt jede Woche eine neue Waldbesetzung oder ein neues Klimacamp aus dem Boden gestampft wird: Jetzt kann der Danni sich in eine neue Richtung weiterentwickeln und ganz neue Anstöße geben – als ein Ort, wo Wissen und Erfahrung zusammengebracht werden und wir das mit anderen Aktiven der Klimagerechtigkeitsbewegungen teilen können.

Das Gäst_innenhaus als Transformationszentrum für gesellschaftlichen Wandel…

Hört sich fast etwas abgehoben an. Einfacher gesagt: Der Danni will ein langfristiger Ort des Wandels und der Vernetzung werden. Vor allem das Klimacamp ist da das erste, größere Projekt gewesen. Danach folgten Kleinere.

Im Gäst_innenraum mit der fast antik wirkenden Theke, wo noch ein paar Flyer aus der Besetzungszeit liegen, steht jetzt die große Deutschland-Karte, wo alle aktuellen Besetzungen gegen so einige von Regierungsseite geplante Autobahnen drauf eingezeichnet sind.

Deutschland ist übrigens bereits das Land mit der weltweit höchsten Autobahndichte.

Und jetzt soll die größte Infrastrukturreform seit Jahrzehnten kommen, hin zu noch viel mehr Autobahnen. Jetzt, wo die politisch formulierten Klimaziele der Bundesregierung eigentlich konkret Form annehmen müssten, aber sogar von Karlsruhe bestätigt, teilweise verfassungswidrig sind.

Die A 49 bleibt dabei ein Punkt, wo wir Menschen rund um den Danni weiter aktiv stören wollen. Aber da gerade so viel an neuen Bewegungen aufkeimt, wollen wir auch anpacken und mithelfen, wo es noch akuter um die Zerstörung unserer Umwelt steht. Autonome Gruppen unabhängiger Individuen, die gerade zufällig im Danni gewesen sind, waren zum Beispiel im Mai und jetzt ganz aktuell ein paar Tage im Moni (A 14) in der Altmark und im Garni (A 20) bei Oldenburg, wo die Gefahr einer Räumung jetzt mit dem Beginn der Rodungs im Oktober sehr real ist.

Für die Fahrt zur A 20 wurde ein VW-Bus vollgeladen mit den wichtigsten Materialien für den Start einer Besetzung. Also Werkzeug, Zelte, Schlafsäcke und sowas. Und der Bus und sein Fahrer, der sich gefreut hatte, irgendwie behilflich sein zu können, sind dann gen Norden an die Besetzung im Aufbau, an der geplanten Route der Autobahn, gefahren.

Die A 20 dort soll die Erreichbarkeiten der norddeutschen Regionen verbessern. Davon sollen in hohem Maße Anwohner_innen, Pendler_innen, Tourismus und die Wirtschaft im Allgemeinen profitieren. Dieses Märchen der vielen Vorteile kennen wir ja schon aus dem Danni. Und so steht es dann auch in den meisten Medien.

Aber anders als in den konservativen Blättern und Sendern dargestellt, sind auch an der A 49 weder die Rodung noch der Widerstand abgeschlossen. Wir Aktivistis sowie die Menschen aus der Bürger_innen-Initiative bemühen uns, die Gesetzesverstöße beim Bau zu dokumentieren, auch wenn Politik und Wirtschaft sehr gewillt sind, Sorgen um Natur und Trinkwasser komplett zu ignorieren.

Es werden also auch Projekte im weiteren aktivistischen Umfeld mit Learnings aus dem Danni unterstützt und weitere neue Projekte und Vernetzungen angestoßen. Jeder Widerstand gegen klimakatastrophalen Straßenbau erhöht den Gesamtdruck für eine Verkehrswende im großen Stil und macht die Projekte, die in Planung sind, unwahrscheinlicher.

Weitsicht ist im Aktivismus sowieso unumgänglich, wenn Kristallisationsorte des Widerstands entstehen und über ein paar brennende Wochen oder Monate hinaus ihren Einfluss behalten wollen.

Die unterschiedlichen Akteur_innen der Klimagerechtigkeitsbewegung – von helfenden Einzelpersonen zu NGOs bis hin zu autonomen Gruppen – müssen sich auf Augenhöhe begegnen können, um als Bewegung erfolgreich zu sein. Und versuchen, sich dabei so dezentral und hierarchie-befreit wie möglich zu organisieren. Stichwort „Generation Waldbesetzung“…

Jetzt, wo sich die Protestwelt um den Danni verstetigt, kann das Projekt Verkehrswende in ganz neuer Weise, mit einer zeitlichen Perspektive über eine Woche hinaus (und länger), angegangen werden. Das ist während der Besetzungszeit noch ein Luxus gewesen, den sich nur die Fantasten gegönnt hatten.

Heute füllen das Gäst_innenhaus alte und neue Gesichter. Heute, wo Corona, die Räumung und dessen Reflektion stattgefunden haben und es immer noch tun, weht weiterhin ein bekannter, aber frischer Wind.

Wie gewohnt haut das Wetter am Danni gut rein. Es kann wieder zu Stürmen kommen.