Bei unseren Projekten begleitet uns vor allem die Gruppe „Lebenslaute“ schon eine ganze Weile. Hier stellen sie sich einmal vor! Ganz großes Dank an euren Einsatz, eure Musik und eure Unterstützung, ganz egal wobei.
Die Akteurinnen:
Claudia: Wohnt 10 km vom Danni entfernt. Sie hat im September 2019 bei Fridays for Future in Alsfeld gehört, dass Aktivisti im Danni anfangen den Wald zu besetzen und Baumhäuser zu bauen.
Am gleichen Tag fuhr sie hin, um zu unterstützen.
Anja, Christiane, Udipta und Uli: Hörten begeistert von Claudia von den BaumbesetzerInnen und begannen gleich an den Sonntagsspaziergängen teilzunehmen und andere mitzubringen.
Kurz darauf haben die musikbegeisterten Freundinnen das Lied „Geht geht geht auf die Strasse eh die Welt in Müll und Krieg versinkt“ von „Jodeln gegen Rechts“ zum Danni-Lied umgedichtet.
Musik kommt in den Wald
Seitdem, während der gesamten Besetzung, waren unsere gemeinsamen Besuche im Wald von musikalischen Beiträgen geprägt. Von Anfang an waren alle eingeladen zum Mitsingen. Die Lieder wurden immer bekannter und immer mehr Menschen haben mitgesungen.
Wie von Zauberhand geführt hat uns im September 2020 das Musikkollektiv „Lebenslaute“ um eine Probemöglichkeit für ihren Auftritt im Danni angefragt. Dadurch konnten wir an den Proben teilnehmen, neue Lieder lernen, unsere Lieder einbringen und beim Auftritt mitmachen, was eine große Schubkraft für den musikalischen Widerstand gegeben hat.
Seit dem ersten Tag der Räumung war unser gemeinsames Singen das zentrale Element unserer Unterstützung als „ground support“, ein Begriff für die Unterstützung der Baumhausbesetzerinnen vom Boden aus.
Ein Überblick über die zahlreichen Musikaktionen:
Wir sind alle aus Hessen und sind in unseren Herzen Teil des indigenen Widerstands, der Hüterinnen der Mutter Erde, des Widerstands der „Eingeborenen“, der überall auf der Welt durch Singen geprägt ist. Gegen Argumente kann man sich verschließen, aber Musik geht ins Gefühl. Sie wirkt deeskalierend auf beiden Seiten und trotzdem aktivierend und unterstützend. Uns hat die Musik gute Stimmung gemacht und damit die Kraft und Ausdauer für den Widerstand gegeben.
Manchmal haben wir über sechs Stunden gesungen. Durch die langen Stunden im Wald, während dem größten Räumungsdurcheinander kamen uns die besten Liedideen. Die Musik hat uns getragen. Auch die Rufe zu den Aktivisti durch den Wald, „ihr seid nicht allein-ihr seid nicht allein“ haben wir oft bis zur Heiserkeit geschrien; für die oft blutjungen Menschen, die Ihren Körper als Schutzschild für die Bäume eingesetzt haben und von denen manche mit ihrer Gesundheit bezahlt haben.
Immer hatten wir selbstgebackene Muffins, Brot, Trauben vom Balkon, Müsliriegel und Tee für die Aktivisti dabei und häufig wurden wir mit Unterstützungsrufen begrüßt.
Es waren so viele Frauen in den Bäumen, die sich über Mutter Erde Lieder sehr gefreut haben und mitgesungen haben. Immer wieder haben wir neue Lieder auf alte Melodien improvisiert und haben die extreme Stimmung im Wald auf unsere Musik übertragen.
Wir mussten immer schauen, dass die Polizistinnen nicht an die Baummenschen rankommen und wirkten damit auch als Zeuginnen, um Eskalationen gegen die Baummenschen zu vermeiden. Manchmal konnten wir sogar die Geräusche der Sägen übersingen.
Wir kommen als Therapeutinnen und Musikerinnen aus der heilenden Ecke und haben gegen diese massive patriarchale mitweltzerstörenden Gewalt unsere feministische nachhaltige Haltung entgegengesetzt. Während des Singens haben sich Haltungen verbunden und je nach Situation haben sich die Strophen verändert. Es entstand ein hohes Potential von gemeinsamer Kreativität. Ein strukturiertes gemeinsames Improvisieren, wie es vor der Fernsehgesellschaft üblich war, das sich an alte Traditionen anknüpft und mit dem wir Informationen weitergeben. Zwischen den Liedern haben wir häufig Reden zur aktuellen Lage zum Klimanotstand in der Welt gehalten, z.b. zu den Wirbelstürmen und Überschwemmungen in Mittelamerika.
Eine der ersten gemeinsamen Aktionen waren Liederworkshops und Mantrasingen mit Aktivisti im Frühsommer 2020 im Hüttendorf. Auch bei den Freitagsdemos in Homberg Ohm haben wir mit dem Dannilied beigetragen.
Glück im Unglück am Tegutparkplatz Alsfeld
Immer wieder wurde während der Räumungsphase der Solibus von Ende Gelände mit blutjungen Aktivisti aus Berlin von der Autobahn abgefangen und dann am Tegutparkplatz jeder einzelne Rucksack gefilzt, als ob die jungen MENSCHEN Schwerverbrecher wären.
Eines Sonntagabends kamen Anja und Nane dort vorbei und wunderten sich über das Polizeiaufgebot. Als sie nachschauten und sahen, dass dort junge Aktivisti schikaniert und eingeschüchtert wurden, haben sie spontan angefangen Lieder aus dem Widerstandsrepertoire zu singen. Die Polizei verscheuchte sie.
Der Infopoint vom Danni gab Rechtsauskunft und riet, eine spontane Versammlung anzumelden und weiterzusingen. Beim Versuch mehr Menschen aus der Region zu holen, geschah das Wunder:
Die Frauen ihrer Band „Unerhört“, Uli und Claudia, saßen um die Ecke in einer Pizzeria und eilten herbei. Saxophon ausgepackt, offener Spontanauftritt am Tegutparklatz wurde zum Fanal für die Busmenschen und aus der geplanten Schikane wurde eine spontanes Solidaritätsevent. Die Stimmung stieg viertelstündlich und letztendlich konnte der Bus weiterfahren.
Schockierend: Ein Aktivist wurde wegen Besitz eines Klettergurtes verhaftet! Unglaublich.
Trauermarsch für Grandma – eine 250 Jahre alte Eiche
Eines Donnerstags machten wir uns morgens auf zum Trauermarsch von Lehrbach zum Herri, organisiert von der BI, um die B 62 zeitweise zu blockieren. Die Demo endete in Niederklein. Dennoch sind wir vier singenden Frauen mit etwas 20 Aktivisti bis zum von der Polizei abgesperrten Mahnwache am „Jesuspoint“ durchgebrochen und wie so oft hat uns die Musik beschützt. Inspiriert vom Kreuz am Jesus Point entstand wie so oft in heiklen Situationen spontan ein neuer Text zur Melodie von„Dona nobis pacem“: „Danke danke euch auf den Bäumen- ihr schützet Danni, wir schützen euch“. Sogar der am Kreuz hängende Jesus wurde aufgefordert, sich uns anzuschliessen, da wir Revolutionäre lieber ohne Nägel in Händen und Füßen um uns hätten!
Am Jesuspoint
Einige Tage später fuhr Claudia mit einem Dannivater zu allen Mahnwachen. Ab dem Jesuspoint begleiteten ein Dannivater mit Wandergeige und Claudia mit Gesang eine Räumungsaktion im Herrenwald um speziell seine 16 und 18 jährigen Töchter auf den Bäumen zu empowern. So wie dieser Mensch sind oft Eltern von Aktivisti mit uns musizierend in den Wald gezogen.
Krönung zur Waldkönigin während der Räumung
Udipta, unsere Freundin und ehemalige Waldarbeiterin im Pflanz und Pflegebereich, hatte im November Geburtstag. Auf der Fahrt in den Wald haben wir ausgerechnet, dass sie in den 20 Jahren als Akkord-Baumpflanzerin über eine Million Bäume in der Rhön gepflanzt hat. Als Überraschung haben wir sie zwischen Polizeiketten und Baumhausbesetzerinnen zur Waldkönigin gekrönt. Begleitet von Claudias Didgeridoo wurde dies zu einem gelungenen Event.
magische Momente – Blockade der „Über 60“ findet „Lebenslaute“ im Wald
Am 21.11. fand eine Besetzung der Rodungsflüche durch die Bürgerinitiative „Ü 60“ statt. Nach dem teilweise sehr unsanftem Wegtragen der älteren Demonstrantencrew zogen die Ü 60 singend durch den Wald. Unverhofft trafen sie auf die musizierenden „Lebenslauten“ auf der anderen Seite des Absperrbandes, zwischen ihnen die Polizeireihen. Ihnen gelang es nicht, haha, den Klang abzusperren. Und wie es der Zufall will, wurden während des Partisanenlieds „Bella chiao“ die Hundertschaften an dieser Stelle abgezogen. Immer wieder haben auch die „Dannieltern“ sich uns angeschlossen und sind mit uns bis ans Flatterband gezogen.
Zitate der Polizei:
Hobbits und Orks
An Anjas Geburtstag wurde zu einer Blockade der Rodungsfläche ab sechs Uhr morgens eingeladen, der überraschend viele gefolgt waren.Bevor die Polizei ihre Schicht begann zogen wir 13 Hobbits ausgerüstet mit Körben voll Muffins, Kaffee, Tee und Sekt, stilvoll mit Sektgläsern und bewaffnetmit Akkordeon und Gitarre in der Dunkelheit auf die Rodungsfläche.
Begrüßt von einem Geburtstagslied der Aktivisti begann der Tag trotz Schnee, Kälte und anderer widriger Umstände fröhlich. Doch plötzlich – Angriff der Orks. In großen Scharen umzingelten hunderte von schwarzgekleideten Orks bis unter die Zähne bewaffnet unseren kleinen musikalischen Morgengruss. Verstört zogen wir uns singend unter die Baumhäuser zurück, wo im Morgengrauen ein unglaubliches Trompetensolo, gespielt von einem Mensch aus einem der besetzten Tripods, den Wald verzauberte. Wie so oft konnten wir nicht verhindern, dass die Orks die Hobbits auf den Bäumen und in den Baumhäusern geräumt haben, wir konnten ihnen nur musikalischen Beistand und Zeugenschaft leisten.
Dies alles wurde von aufgezeichnet, kam in La Paz im Fernsehen und ist unter youtu.be/bIUD380xckE&feature oder Dannenröderwald 2.12. einsehbar.
Wasserwerfer am Nikolaustag
Während wir am Nikolaustag für die Dannieltern vor der Bescherung für die Waldmenschen vor hunderten von gespendeten Weihnachtspäckchen einen sensationell spassigen Auftritt Auf der Bühne hinlegten, wurden im Wald Aktivisti bei Eiseskälte von Wasserwerfern angegriffen. Unsere Band, Luisa Neubauer und andere promintente RednerInnen gingen sofort in den Wald auf die matschige Trasse und setzten dort unsere Aktionen fort. Mit Päckchen beschenkt fuhren wir fassungslos über den Polizeieinsatz nachhause. Schon vorher hatten die Polzei am Totensonntag Dannenrod belagert und auch an Adventssonntagen geräumt und die Monster-Rodungsmaschinen durchgearbeitet, bevor Einsprüche den Autobahnbau im Trinkwasserschutzgebiet aufhalten würden.
Lebenslauteaktion unter dem letzten Baumhaus im Hüttenbarrio „Oben“ am 7.12.20
Diese schöne frühmorgendliche Aktion wurde brutal geräumt. Ein weiterer Artikel dazu findet sich in diesem Buch.
mit Ü 60 vorm Frauenknast in Preungesheim
Auch bei der Knastdemo im Dezember 2020 für eine immer noch inhaftierte Aktivistin, die sich bei der Räumung erschreckte und um sich getreten hatte und im Februar 2021 immer noch im Gefängnis sass, waren viele der älteren und singenden Aktivisti vertreten. Auch diese Solidarität, sich überall unverabredet wiederzutreffen, gab immer wieder einen tiefen inneren Zusammenhalt.
Neujahrsspaziergang zum Transparent „Danni lebt“ über der Trasse an der Kirschbrücke
Nach der Räumung der letzten Baumhäuser stellte sich eine lähmendes Gefühl ein. Wir litten unter Trauer und Kraftlosigkeit. Das brutale Vorgehen gegen GegnerInnen von unnützen weltzerstörenden Großprojekten ist in unserem Land an der Tagesordnung.
Und doch hatten wir die ganze Zeit die Hoffnung, dass die jungen Menschen in Zeiten des Klimanotstands gewinnen könnten, dass es ein Einsehen gäbe, dass Trinkwasser wichtiger ist als ein neues Kargocenter in Nordhessen mit viel Beton. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.
Was bleibt – der Wunsch eine bessere Welt zu gestalten
Nicht nur die Besetzer*innen sind konsequent in ihrem Denken, sondern auch wir haben Konsequenzen gezogen, ohne Unterstützung dieser ausbeuterischen Systeme zu leben. Leider gehören wir als BewohnerInnen von Mitteleuropa zu den Nutzniesserinnen „imperialer“ Lebensweise zu den Ausbeutenden dieses Planeten.
Wir waren containern für den Danni, einige haben in der Zeit containern gelernt und auch für uns haben wir ab und an containert. Wir waren dabei entsetzt, wie viel weggeworfen wird. Der Danni nahm kein Fleisch. Wir waren entsetzt, dass Fleisch der Tiere, die lebensfeindlich eng und unbeweglich gehalten werden, gequält werden, um letztendlich auf dem Müllhaufen der Supermärkte zu landen. Ihr Leid wird weggeworfen auf die Müllhalden der postpatriarchalen industriellen Unordnung.
Mit der Konsequenz und dem Konsumboykott sind wir in Resonanz gegangen und das hat unser LEBEN verändert: In Zeiten der Coronavereinzelung haben wir uns gegenseitig mit großer Fürsorge, Hoffnung und Solidarität versorgt und ein enges Netz gegenseitiger Hilfe gesponnen.
Das bleibt.
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