Mein persönlicher Jahresrückblick:
Wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke, dann fällt mir auf, wie viele Dinge ich hier gelernt habe und wie sehr es mir hier möglich war mich selbst, wie auch die bestehenden Strukturen des kapitalistischen Systems zu reflektieren.
Ich lebe nun seit über einem Jahr hauptsächlich im Danni-Camp und im Gäst_innenhaus. Ich habe sehr viele Info-Point-Schichten gemacht und dort fast schon gelebt. Ich habe mit der Zeit gelernt, die Bühnentechnik der großen Bühne, die auf dem Sportplatz stand zu bedienen, in der KüfA bis zu 500 Menschen zu bekochen. Ich habe die Erfahrung machen können, dass Kochen in großen Mengen mit riesigen Kochgeräten doch etwas ganz anderes ist. Ich habe gelernt Feuer zu machen und mit Lehm zu bauen, und dass ich akzeptiert werde, so wie ich bin, wie auch ich alle Menschen so akzeptiere, wie sie sind.
Ich habe mich mit Vereinsrecht, Förderanträgen und vielen weiteren bürokratischen und juristischen Dingen auseinandergesetzt.
Ich habe Briefe an Gefangene geschrieben. Ich habe Klettern gelernt, mich mit transformativer Gerechtigkeit beschäftigt und bin Gäst:in und Diskutierende bei verschiedenen Filmvorführungen gewesen. Ich stehe regelmäßig vor der Kamera, traue mich meine Meinung nach außen zu tragen und die Initiative für Projekte zu ergreifen. Ich kann mit Werkzeugen umgehen und mit Menschen mittlerweile auch immer besser. Ich habe bei einem Radiobeitrag mitgewirkt und ich habe gelernt, aus voller Kehle an der Trasse (der A49) rumzuschreien, bis ich keine Stimme mehr habe.
Ich war schüchtern, als ich hier her bin und habe mir wenig zugetraut. Ich würde nicht behaupten, dass ich nun die Extrovertiertheit in Person bin, aber ich habe mich stark entwickelt, weil der Ort hier das möglich macht, weil die Menschen um mich herum mich empowern und mich bestärken.
Hier ist noch mein Tagebuch-Eintrag zum feministischen Kampftag am 08.03.2021, den für diesen Jahresrückblick etwas überarbeitet habe:
Dienstag, der 09.03.2021
Es ist 12:25 und ich sitze auf dem rechten Bett im FLINTA*-Awareness-Raum, der gestern im Zuge des feministischen Kampftages besetzt wurde – eine interne Besetzung.
Vorgestern, am Sonntag, war richtig gutes Wetter. Wir haben die Banner für den 8. März, den feministischen Kampftag, gemalt und ich habe beim Mauli-Spaziergang eine Rede gehalten, die jetzt auch auf YouTube ist.
Gestern ist auch mega viel passiert. Ich war morgens noch etwas mürbe, aber dann wurde es cool.
Nach dem Mittagessen habe ich alle Menschen zusammengetrommelt, um das Soli-Bild für den feministischen Kampftag zu machen. Es sind fast alle Menschen, die gerade hier sind, gekommen. Das war ein tolles Gefühl, auch innerhalb des Camps Unterstützung zu erfahren. Ich habe das Banner aufgehangen mit der Hilfe von zwei lieben Menschen. Ich habe die Soli-Foto-Aktion selbst initiiert (Foto s.o.). Diese Position, Initiative und Verantwortung zu übernehmen und sozusagen eine Sache anzuführen, fällt mir extrem schwer. Ich betrachte meine Belange immer als irrelevant, unnötig und unwichtig.
Aber zu spüren, dass alle anderen auch dabei sind, war echt toll und das hat mir Kraft gegeben.
Nach der Soli-Foto-Aktion sind wir (eine kleine „Danni-Delegation“) nach Marburg zur Kundgebung gefahren, haben Transpis mitgenommen und Schilder gemalt. Bei der Kundgebung gab es Reden und Musik und am Ende haben wir noch getanzt. Wir haben an dem Abend noch einen Menschen verabschiedet und spontan noch bei einem uns bekannten Bäcker containert.
Von Marburg sind wir nach Stadtallendorf, haben dort eingekauft und nochmals containert. Ich liebe es zu containern, weil es so viel Nices zu ergattern gibt, aber in den Containern ist auch immer zu viel.
Die Aktivitäten gestern haben mir total viel Energie gegeben. Mir fällt gerade noch ein, dass ich gestern sogar noch eine Runde klettern war.
Heute morgen habe ich Yoga gemacht und dann im Gastraum gefegt. Danach habe ich einen Kaffee an der KüfA getrunken, etwas gefrühstückt und dann einen kleinen Spaziergang durch den Wald gemacht und mir das gefallene, angefangene Baumhaus im Wald hinter Fanggorn angeschaut. Total krass, wie der Baum, an der die Struktur war, gefällt wurde und in Stücke geteilt wurde. Heute muss ich das Zimmer (Nr.4), dass ich mir mit Emma geteilt hatte, verlassen, aber wir/ich finden was neues.
Es meinte gestern abend ein Mensch zu mir, es glaube, ich sei von Anfang an bzw. schon sehr lange bei dem Protest dabei gewesen. Dabei bin ich erst seit Anfang Dezember hier.
Mittlerweile ist das schon eine Weile und ich fühle mich langsam echt wie ein Teil von hier.
– Jacki
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