Jahresrückblick: Meine drei Highlights

Klimacamp am Danni

9.-18. April

Von Anfang April an war plötzlich wieder richtig viel Leben am Rand des Dannenröder Waldes.

Warum hier ein Camp machen nach der Rodung?

Vor allem, um all die tollen Leute wieder zusammenzubringen, die sich während der Besetzung und der Räumung kennengelernt hatten. Um dem Danni eine neue Perspektive, auch mit der Trasse vor Augen, geben zu können. Und natürlich, um mehr revolutionäre Inhalte und Perspektiven unter die (auch neu hinzukommenden) Leute zu bringen.

Das Klimacamp selbst haben die Organisierenden gar nicht so recht mitgekriegt vor lauter Planung und Koordination, hab ich gehört von zwei Menschen. Ereignisreiche Tage mit vielen Eindrücken und Menschen waren das aber auf jeden Fall für alle. Innerhalb kürzester Zeit hatten ein paar wenige Menschen ein großes Klimacamp aus dem Boden gestampft. Sie hatten super viel telefoniert, Referent*innen hergemanaged, Material und Essen besorgt (massencontainert, …). Corona war auch echt ein schwieriger Faktor – sie mussten alles haarklein mit dem Ordnungsamt abklären. Aber das ziemlich konsequente Testen bei der Anreise und Maske tragen der Workshop-Teilnehmenden hat es wohl gut hinhauen lassen.

Das Zusammenstoßen mit dem großen Aufgebot der Polizei in der ersten Woche war wohl auch krass, hab ich von anderen gehört. Ich selbst kam kurz danach an. Von den Konzerten und dem Tanzen im Matsch wurde ich dann sehr überrascht. Das war ich gar nicht mehr gewohnt. So viele Menschen! Und vor allem so viele, die nicht wie Zombies durch ihren Alltag hetzen. Das war toll, schon manchmal zu toll.

So viel Schönes und Lebendiges habe ich vom Klimacamp in Erinnerung.

Und auch die Zeit des Aufräumens nach dem Klimacamp, die echt lange gedauert hatte, war irgendwie spannend und einige Leute, die noch geblieben waren, konnten sich dann besser kennenlernen und wir konnten auch mehr in kleineren Runden zusammen Zeit verbringen.

Das wichtigste aus dieser Zeit sind die Menschen. Und der Ort Danni, der untrennbar mit so vielen tollen Wesen und Erfahrungen verbunden ist und es auch bleiben wird. Sogar mit immer mehr neuen. Ich hab mich im Herbst 2020 zum Ankommen in der Räumungszeit und dann nochmal im April 2021 auch zweimal neu gefühlt. Und dann bin ich dauerhaft hängen geblieben, ohne das vorher für möglich gehalten zu haben.

Eigentlich hatte ich mir das sowieso schon richtig lange gewünscht. An einem Ort des gemeinschaftlichen Lebens plötzlich hängen zu bleiben und endlich meine ganze Energie, die nie richtig wusste wohin mit sich, mal in ein sinnvolles Projekt reinstecken zu können. Ein Projekt, das ich mitgestalten kann.

Ich liebe es hier. Im hügeligen Land, endlich frei vom Lärm der Großstadt. Im Gästihaus, den Ort, den ich so oder so ähnlich schon echt lange gesucht hatte.

Restorative & Transformative Justice Wochenende

6.-8. August

Mein zweites persönliches Jahreshighlight im Gäst_innenhaus war ein prägendes, verdammt lehrreiches Wochenende im August. Das Restorative & Transformative Justice Wochenende – über alternative Umgänge mit Gerechtigkeit, Gewalt und Schmerz – wurde vor allem von einem Menschen im Gäst_innenhaus und einem Menschen von „außerhalb“ organisiert. Beide politisch und aktivistisch auf ihre Weise aktiv und sich schon seit Längerem einlesend in die Thematik aus persönlichem und politischen Interesse.

Und so wurde auch mein Interesse mehr und mehr geweckt, diesen mir bisher nicht so offensichtlich wichtigen Aspekt eines dringenden Systemwandels mir genauer anzusehen. Und so habe ich auch ein bisschen mitorganisiert und die Öffentlichkeitsarbeit mit vorangebracht, womit ich mich mehr und mehr seit meinem Ankommen im Gäst_innenhaus im April beschäftigt habe.

Es war bis zum ersten Abend recht unklar, wie viele Menschen überhaupt interessiert genug seien, um sich zum schlecht angebundenen Dannenrod aufzumachen. Und es stellte sich dann heraus, dass es über 30 Menschen waren, was für ein Workshop-Wochenende schon eine ordentliche Größe ist. Wir hatten uns ein vollpacktes Programm für das Wochenende ausgedacht und auch zwei besondere Gäst*innen. Einer davon war Lutz Taufer, der einmal Teil der RAF (Rote Armee Fraktion) gewesen war und auch einige Zeit im Gefängnis verbracht hat. Der Mensch war ein super freundlicher und angenehmer Zeitgenosse, und arbeitet schon lange auf transformative Weise seine Vergangenheit und die anderer auf. Er konnte an einigen Stellen interessante und authentische Erfahrungen von systematischer, staatlicher Repression einbringen.

Andere Gäst*in war uns aus den USA live zugeschaltet, und zwar Kathleen Pequeno, welche den inspirierenden Film „The worst thing“ über einen heilsamen Umgang mit Gewalt(-verbrechen) und ihre persönliche Auseinandersetzung mit den Themen Bestrafung und emotionaler Aufarbeitung gemacht hat. Gemeinsam schauten wir den Film in der großen Runde in unserem als kleines „Heimkino“ eingerichteten Raum „Erde“ und kamen danach und nochmal am nächsten Tag in spannende Austausche über die Verarbeitung und Behandlung von Schmerz und Gewalt und darüber, wie sehr sich die Zugänge und Umgänge damit unterscheiden können – je nach Sozialisation, persönlichem Umfeld und staatlichem System.

Der transformative Ansatz, im Verhältnis zum restorativen, legt dabei noch stärker den Fokus auf Systemwandel. Wie lange habe ich Gefängnisse und Polizei unhinterfragt akzeptiert? Bis zu meinen Erfahrungen bei der Räumung im Danni letztes Jahr war ich da irgendwie echt naiv. Aber dann selbst diese blinde, fehlgeleitete Form von staatlicher Gewalt erlebt zu haben, hat viel verändert. Und auch besonders Ellas Verhandlungen und die Verurteilung mit anderen Danni-Aktivistis zu begleiten und in Alsfeld gemeinsam zu protestieren, hat für mich klar gemacht, wie dringend doch die Auseinandersetzung bzgl. Gewalt mit drastisch anderen Methoden ist, nämlich mit Fokus auf emotionaler Arbeit mit Betroffenen und der ganzen Gesellschaft.

Die Diskussionen während der Workshops sowie danach in den Essenspausen oder abends waren nicht einfach, oft durchdrungen von Wut und noch mehr von Ratlosigkeit. Aber das gemeinsame Beschäftigen mit Alternativen hat auch viel Kraft gegeben. Gerade auch die Momente, wo wir außerhalb der Großgruppe persönliche Erfahrungen geteilt haben, waren sehr besonders. Menschen sind so unterschiedlich – so viele besondere Geschichten!

Ich weiß aber auch noch, wie wir im Workshopzelt auf der Mahnwachen-Wiese in einer Kleingruppe über ein alternatives Gefängnis in Brasilien geredet hatten. Dort gibt es keine Wachen, und auch Tätigkeiten wie Kochen oder Waschen finden, selbstorganisiert von den dort lebenden Menschen (Gefangene?!), statt. Und auch der stärkere Fokus auf Betroffenenarbeit, anstatt alleiniger Sanktionierung Gewaltausübender, ist durchaus verbreitet, wenn man ein bisschen danach sucht.

Es gibt bereits Alternativen. Und für die Möglichkeit, solche Alternativen und viele andere zu entdecken und dann im täglichen und langfristigen Umgang gemeinschaftlich zu erproben und auszuhandeln, bin ich dem Gäst_innenhaus und allen Menschen, die diesen wundersamen Ort prägen, unglaublich dankbar. Ich habe mich noch nie so gesehen und so sinnvoll gefühlt wie hier. Und auch mal selbst was organisieren können, aktiv dazu beitragen können, Leute zusammenzubringen, war eine tolle, wenn auch total stressige Erfahrung, wodurch ich, glaube ich, ziemlich viel gelernt hab.

Ohne Kerosin nach Berlin

25.-27. August

Mittwoch nachmittags hörten wir es auf einmal massenhaft klingeln am Ortseingang von Dannenrod. Die über 30 Menschen starke Radler*innen-Truppe „Ohne Kerosin nach Berlin“, die in ganz Deutschland ein Zeichen für Klimaschutz gesetzt gesetzt haben, wollte auch zu uns. Richtig toll!

Nach dem wuseligen Ankommen und Zelte aufbauen sind wir gemeinsam zur Trasse, und die Besetzung, Räumung und Rodung wurden fast komplett wieder aufgerollt. Im Hintergrund waren Geräusche von Bauarbeiten zu hören – das hat einigen Schwierigkeiten bereitet. Danach sind wir an unserem Acker und der Mahnwachen-Wiese noch kurz geblieben zum quatschen mit den vielen Leuten und dann wieder zum Gästihaus mit der Aussicht auf Abendessen.

Es gab am Haus dann noch eine Art Einführung in das Thema: Langfristig Einsteigen in aktivistische Strukturen. Uns war das hier besonders wichtig zu betonen, da diese aktivistische Radtour offensichtlich für viele als ein guter, erster Zugang zur Klimagerechtigkeitsbewegung gedient hat, und die vielen frisch Motivierten es abzuholen galt auf unsere Weise. Anschließend wurde noch das Gäst_innenhaus und seine vielen Projekte vorgestellt. Auch die Eigenarten des Hauses, die gewünschten Corona-Maßnahmen und die Idee, dass und wie sich auch die Ankommenden an Kochen, Spülen und Aufräumen gut beteiligen können. Abends wurde dann noch gemeinsam der ganz lustige Einführungsfilm ins am nächsten Tag geplante Aktionstraining geguckt.

Der Donnerstag war dann richtig vollgepackt mit Programm. Das war auch echt viel an Organisation und Koordination gewesen – das vergesse ich oft in meinem Drang, Sachen zu machen. Und es war wundervoll sonnig und warm (fast) den ganzen Tag! Es gab das Aktionstraining, ein neues Stück der Theatergruppe ANTAGON (was richtig toll und ausdrucksstark war!), einen Klingelkonzert-Workshop mit verbundener, kleiner Radtour durch die nahe Gegend und anschließend noch einen Workshop zu Transformative Justice. Abends wurde dann aufgelegt von einem DJ, und der kurze Regen hörte bald auf, sodass wir im Garten bis 1 Uhr in großer Runde tanzen und lustig rumturnen konnten.

Freitag gab es dann nur noch ein leckeres Frühstück, tolles Feedback unserer Besuchenden und eine klingelnde Abfahrt der großen Gruppe wieder aus Dannenrod raus Richtung Berlin.

Im Nachhinein habe ich einige der Radfahrenden in Lützerath wiedergetroffen. Ein Haufen Menschen hatte mich da sogar im Dunklen wiedererkannt, wir sind dann auch zusammen auf Ende Gelände-Aktion gegangen an den Rand der Kohlegrube. Und wir haben auch nochmal in Ruhe reflektiert über ihre Tage im Danni. Das hat sich so richtig gelohnt! Diese Arbeit, Menschen zusammenzubringen, fühlt sich einfach immer wieder wunderschön an.

– Zeder